Geschichte des Dorfes Lidice

Das Dorf, dessen Name im Zweiten Weltkrieg zu einem Symbol der faschistischen Willkür wurde, liegt 20 Kilometer westlich von Prag und acht Kilometer von Kladno entfernt. Lidice wurde erstmals in Chroniken aus dem Jahr 1318 erwähnt. Das älteste öffentliche Gebäude war die St. Martins-Kirche (1352). Sie wurde in den Hussiten-Kriegen zerstört, doch Priester der Utraquisten predigten hier bis ins 16. Jahrhundert. Im 30-jährigen Krieg wurde die Kirche erneut zerstört, woraufhin die Großherzogin Marie Anna der Toskana eine neue Barockkirche bauen ließ, die in den folgenden Jahren mehrfach umgestaltet wurde.

Die Dorfschule wurde erstmals 1713 erwähnt, damals hat sie 127 Schüler. Sie hatte ein einfaches Zentralheizsystem und war offenbar die erste ihrer Art in Böhmen. Ein neues, zweistöckiges Schulgebäude wurde 1824 erbaut. Die Ausweitungen der Industrie in Kladno (Kohleminen, Inbetriebnahme der ersten Hochöfen 1855) verwandelten Lidice in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine belebte Minenarbeiter-Siedlung. Während 1848 in 33 Häusern 270 Einwohner lebten, waren diese Zahlen bis 1890 auf 506 Menschen und 50 Häuser angestiegen.

Die Okkupation der Tschechoslowakei durch die Nationalsozialisten hatte tragische Konsequenzen für Lidice. Um die antifaschistische Widerstandsbewegung zu unterbinden wurde im September 1941 der Chef der Sicherheitspolizei SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich zum "stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren" in direkter Vertretung Adolf Hitlers ernannt. Während seiner kurzen Terrorherrschaft wurden 5000 antifaschistische Kämpfer und ihre Helfer verhaftet. Ihre Verfahren hielten die unter Kriegsrecht stehenden Gerichte beschäftigt, doch die Nazis richteten außerdem Menschen kurzerhand ohne Gerichtsverfahren hin, um Angst im Land zu verbreiten. Viele Menschen aus Kladno starben auf dem Schafott oder in Konzentrationslagern.

Der Großteil der tschechischen Bevölkerung war von der Entscheidung der tschechoslowakischen Exil-Regierung in London betroffen, Heydrich loszuwerden. Des Attentats tschechoslowakischer Fallschirmjäger am 27. Mai 1942, bei welchem Heydrich tödlich verletzt wurde, folgten Vergeltungsmaßnahmen, die die ganze Welt schockierten.

Die wagen Inhalte eines Briefes, der an eine Frau adressiert war, die in einer Fabrik in Slaný arbeitete, und vom Mitbesitzer der Fabrik J. Pála beschlagnahmt wurde, weckten den Verdacht der Kladner Gestapo, dass eine Verbindung zwischen dem Attentat auf Heydrich und der Horák-Familie aus Lidice bestehe, deren Sohn in der tschechoslowakischen Armee in Großbritannien diente. Obwohl Verhöre und Hausdurchsuchungen weder Beweismaterial, noch Waffen oder Funksender lieferten, mussten die Nazis einen Akt der Vergeltung für den Tod eines "herausragenden Mannes des deutschen Volkes" verüben. Dafür wählten sie die Menschen von Lidice.

Die Tragödie des kleinen Dorfes und seiner 503 Einwohner begann am 10. Juni 1942, wenige Stunden nach Mitternacht. Die Geschehnisse dieses Tages wurden von jenen filmisch dokumentiert, die dieses brutale Verbrechen an unschuldigen Menschen ausführten. Obwohl es sich um einen Stummfilm handelt, ist er für jeden Menschen verständlich, ungeachtet Hautfarbe oder Sprache. Die Filmaufnahmen dienten als Dokument Nr. 379 bei den Nürnberger Prozessen gegen die Führungspersonen von Nazideutschland 1945. Teile des Films werden im Museum von Lidice gezeigt.

Auf den Befehl K. H. Franks hin, wurden an jedem schicksalhaften Tag 173 Männer im Garten des Horák-Hofes erschossen. Die Frauen und Kinder wurden in die Sporthalle der Grundschule von Kladno gebracht. Drei Tage später wurden die Kinder von ihren Müttern getrennt und ausgenommen denen, die für die Umerziehung in deutschen Familien ausgewählt wurden oder unter einem Jahr alt waren, wurden alle von Abgasen in speziell umgebauten Fahrzeugen im Vernichtungslager Chelmno in Polen getötet. Die Frauen wurden ins Konzentrationslager Ravensbrück gebracht, was gewöhnlich einen schnellen oder schleichenden Tod für die Insassen bedeutete.

Als alle Einwohner des Dorfes ermordet oder deportiert waren, begannen die Nazis, das Dorf selbst zu zerstören. Die Häuser wurden zunächst angezündet und danach mit Plastiksprengstoff dem Erdboden gleich gemacht. Auch die Kirche und sogar der Ort der letzten Ruhestätte - der Friedhof - wurden schließlich zerstört. 1943 war alles, was übrig geblieben war, ein leerer Platz. Bis zum Ende des Krieges war das Gelände mit dem Hinweis "Betreten verboten" markiert.

Die Neuigkeiten von der Zerstörung Lidices verbreiteten sich rasch auf der Welt. Das Ziel der Nazis, das kleine tschechische Dorf von der Erdoberfläche verschwinden zu lassen, wurde nicht erreicht. Diverse Dörfer auf der ganzen Welt nahmen den Namen Lidice in Gedenken an die Siedlung an und viele Frauen, die zu dieser Zeit geboren wurden, bekamen den Namen Lidice und tragen ihn bis heute. Lidice lebte weiter in den Köpfen der Menschen auf der ganzen Welt und nach dem Krieg verkündete die tschechoslowakische Regierung bei einer Friedenskundgebung in Lidice am 10. Juni 1945, an der die überlebenden Lidicer Frauen teilnahmen, ihre Entscheidung, das Dorf wiederaufzubauen.

340 Einwohner Lidice waren von den Nazis ermordet worden, 143 Lidicer Frauen kehrten nach dem Ende des Krieges zurück und nach einer zweijährigen Suche konnten 17 Kinder zu ihren Müttern zurückgebracht werden. 1947 wurde der Grundstein des neuen Lidice etwa 300 Meter vom früheren Gelände entfernt gelegt und im Mai 1948 begann der Bau der ersten Häuser. Schrittweise wurde ein modernes Dorf mit 150 Häusern mit großer Hilfe hunderter Freiwilliger aus ganz Tschechien und dem Ausland aufgebaut. Das heutige Verwaltungsgebäude, Postamt, Kulturzentrum und Einkaufszentrum wurden zeitgleich gebaut. Das alte Gelände wurde als Gedenkstätte erhalten, dazu zählen das Massengrab der Lidicer Männer, ein Denkmal und das Museum. Zwischen der Gedenkstätte und dem neuen Dorf wurde am 19. Juni 1955 der "Garten des Friedens und der Freundschaft" eröffnet, in dem Tausende Rosenbüsche aus der ganzen Welt gepflanzt wurden.

Und so stoppte das Leben des Dorfes für kurze Zeit, um danach von einem kleinen Funken zu einer großen Flamme aufzulodern, dank der Hilfe von gewillten Menschen aus der ganzen Welt. Welche Richtung es in der Zukunft einschlagen wird liegt allein in den Händen seiner aktuellen Bewohner. Halten Sie hier inne und zollen Sie den unschuldigen Opfern von Lidice stillen Tribut; besuchen Sie das Museum, wo Wissen und Dokumente zur Tragödie von Lidice gesammelt sind, den Rosengarten, das Pietätsgelände und das neue Dorf.